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06.05.2020

6. Mai 2020: Eröffnungsfilm des Münchener Dokumentarfilmfestivals: Eva Fahidi, Auschwitz-Überlebende aus Budapest: "Die Euphorie des Seins"

 
 
Internationales Dokumentarfilmfestival München

 

 

 

Seit 1985 gibt es das mittlerweile weltweit renommierte Münchener Dokumentarfilmfestival. 121 Filme aus 42 Ländern werden in diesem Jahr vom 6. bis zum 24. Mai bei dessen 35. Ausgabe zu sehen sein – im Streaming via Internet, wo auch Karten für die jeweiligen Aufführungen gelöst werden können.

Als besonderen Denkanstoß haben die Festivalmacher im 75. Jahr nach der Befreiung der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager die Reihe "Dok.focus lasting memories" platziert, in der sieben Filme aus Argentinien, Belgien, Dänemark, Deutschland und Ungarn gezeigt werden, die deutlich machen, wie noch heute in Familien von Opfern Erinnerungen und Schmerzen aufbrechen und wie der lange Schatten der Schuld die Täter und ihre Nachkommen immer wieder erreicht.

Für Auschwitz-Überlebende ist die Auswahl des Eröffnungsfilms eine berührende Geste: Das Festival präsentiert den bereits mehrfach ausgezeichneten ungarischen Film "The Euphoria of Being" der ungarischen Regisseurin Réka Szabó, der die tänzerische Begegnung zwischen der Auschwitz-Überlebenden Eva Fahidi und ihrem jungen alter ego, der Tänzerin Emese Cuhorka schildert: Die schmerzhaften Erfahrungen und die schwarzen Erinnerungen der Auschwitz-Überlebenden, deren Aussprechen in diesem Film immer wieder durch die Zartheit des Tanzes und die Bewegung dieser beiden Menschen ermöglicht und gelindert wird – ein großer Film und ein tiefer Einblick in die Kreativität des Menschen und die Hoffnung, die aller Kunst innewohnt.

Mehr: www.dokfest-muenchen.de

 

 

Kommentar:
Im Spiegel der Erinnerung: 75 Jahre Kriegsende

Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz Komitee über den Eröffnungsfilm THE EUPHORIA OF BEING und die Reihe DOK.focus lasting memories

Sehr geehrtes Festivalteam, sehr geehrte Gäste der Eröffnungsveranstaltung,

In diesen Tagen und Wochen gedenken Überlebende des Holocaust in aller Welt der Ermordung ihrer Familien und ihrer Befreiung aus den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis – hineingestoßen in eine Welt, in der sie mutterseelenallein zurückgeblieben waren.

Die meisten der Überlebenden waren sehr jung damals, so wie die 19-jährige Éva Fahidi, die von einem der Todesmärsche aus einem Nebenlager des KZ Buchenwald fliehen konnte und heute – 94-jährig – die wunderbare Erzählerin, Tänzerin und Protagonistin Ihres Eröffnungsfilms THE EUPHORIA OF BEING ist. In der Erinnerung an ihre ermordete Familie und die gnadenlose Effizienz der Mörder besteht Éva Fahidi bis heute darauf, ihr Leben zu leben und zu lieben – mit all den Menschen, die sie umgeben und die sie an ihren Erinnerungen, Erkenntnissen und Erfahrungen mit diesem Film und mit ihren Büchern teilhaben läßt.

Immer wieder ist ihr Bewegungsdrang, ihre Kreativität, ihre Ausdruckskraft und ihre Lebensfreude eine glasklare und bewußte Antwort auf den absoluten Vernichtungswillen, dem sie, ihre Familie, die anderen jüdischen Familien in Europa und die Sinti und Roma in jenen dunklen Zeiten des Gases und der Massengräber ausgesetzt waren. Und dennoch vermag alle Kreativität nie die Schwere des Verlustes und die Last des Allein-Geblieben-Seins zu überwinden. Alles wird getan mit dem Mut des Zweifels und der Verzweiflung.

So verstehen Auschwitz-Überlebende in aller Welt ihre Freundin Éva Fahidi aus Budapest und so fühlen sie sich ihr und den anderen Mitwirkenden des Filmes verbunden: Sie sind dankbar, dass dokumentarische Zeugnisse wie dieser Film bleiben werden, wenn sie einmal nicht mehr sind und die Welt in Gefahr gerät, die historischen Fakten von Tätern und Opfern zu vergessen und das Geschehene in einem großen Brei der Emotionen zusammenzurühren.

Und sie sind Ihnen, sehr geehrtes Festivalteam, sehr dankbar, dass Sie Sich mit der Auswahl dieses Eröffnungsfilms und mit der Reihe DOK.focus lasting memories dieser Gefahr und damit an die Seite der Überlebenden stellen und so ihre Erinnerungen und ihr Leben aufnehmen und als Steine des Anstoßes der Welt präsentieren. Wir danken Ihnen für Ihre Kreativität und Ihre Beharrlichkeit und wünschen Ihnen – in ganz besonderen Zeiten – ein tolles und informatives Festival.

Ihr Christoph Heubner
Exekutiv Vizepräsident des Internationales Auschwitz Komitee