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29.04.2020

Igor Levit: "Mein Konzert soll eine Geste der Verehrung und des Dankes sein"

 
 
Igor Levit © Boris Buchholz

 

 

 

Statement von Pianist Igor Levit anlässlich seines Hauskonzerts am 29. April 2020:

„Mein Konzert hat heute einen ganz besonderen Hintergrund und soll vor allem eine Geste der Verehrung und des Dankes sein: In diesen Tagen und Wochen erinnert sich die Welt gemeinsam mit den Überlebenden an die Befreiung der Konzentrations- und Vernichtungslager vor 75 Jahren: Majdanek, Auschwitz, Gross-Rosen, Buchenwald, Bergen-Belsen, Sachsenhausen, Ravensbrück, Dachau, Flossenbürg,Stutthof, Mauthausen .....nur einige der Namen, die den Überlebenden tagtäglich vor Augen stehen – zusammen mit den Bildern ihrer ermordeten Familien und ihren eigenen entsetzlichen Erinnerungen, die ihnen bis heute weh tun.

Die Überlebenden haben sich nicht ins Schweigen und in die Bitterkeit geflüchtet: Sie haben als Zeitzeugen erzählt, sie haben uns erzählt – über das, was sie erlebt haben und wie antisemitischer Hass und die Nazi-Ideologie aus Nachbarn Feinde werden ließen, die sich gleichgültig wegdrehten, als die jüdischen Familien, die Sinti und Roma und die politischen Gegner in die Lager abtransportiert wurden.

Ich bin den Überlebenden dankbar für das, was sie mir und der Welt erzählt haben: Für ihre Toleranz, ihr Interesse an uns, ihre Freude am Leben und der Demokratie, die sie uns allen immer wieder vermitteln. Und ich bin ihnen verbunden im Zorn über den Antisemitismus von heute. Im Zorn über die populistischen Dummheiten mancher Politiker, über die giftigen Verschwörungstheorien und die brutalen Hassattacken der neuen Nazis, die heute in der realen Welt und im Internet tagtäglich über uns ausgekippt werden. Die Überlebenden haben in diesem 75. Jahr nach ihrer Befreiung wegen der Corona-Pandemie fast keine Gedenkfeierlichkeiten an den Orten ihrer Schrecken besuchen können, sie konnten sich nicht treffen und mussten allein zu Hause diese Gedenktage verbringen.

Deswegen haben Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz Komitee, Maren Borchers, meine Agentin, und ich gemeinsam die Idee entwickelt, heute dieses Hauskonzert den Überlebenden der Konzentrations- und Vernichtungslager zu widmen. Und über dem Konzert sollen zwei Sätze von Überlebenden stehen, die sich heute und auch in Zukunft an uns alle richten.

Zum einen der Satz von Janek Mandelbaum, der 1927 in Danzig geboren wurde und heute in Naples, Florida lebt. Janek war 18 Jahre alt, als er befreit wurde. In Gross-Rosen war er die Lagernummer 16103. Janek Mandelbaum sagt: "Wenn es eines gibt, was ich den jungen Menschen heute sagen würde, dann dies: Glaubt nicht, daß Ihr zu intelligent, zu modern oder zu hochentwickelt seid, um das Undenkbare zu tun. Diese Möglichkeit liegt in uns allen und wir müssen uns durch Erziehung und durch unser Handeln ständig davor schützen."

Und Roman Kent, der Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, 1929 in Lodz als Sohn einer jüdischen Familien geboren, hat nach seinen Erfahrungen in Auschwitz den zehn Geboten für uns und für alle Zeiten ein 11. Gebot hinzugefügt: "Remember: Wenn Unrecht geschieht, wenn Menschen diskriminiert und verfolgt werden – bleibt nicht gleichgültig: Gleichgültigkeit tötet."