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17.12.2021

Impfgegner radikalisieren sich mit absurden Holocaust-Vergleichen

 
 
"Impfen macht frei" - Inspiriert vom Auschwitz-Schriftzug "Arbeit macht frei" Bild: Andrzej Hulimka / Forum, PolskiRadio.pl

"Impfen macht frei" - Inspiriert vom Auschwitz-Schriftzug "Arbeit macht frei" Bild: Andrzej Hulimka / Forum, PolskiRadio.pl

 

 

 

Marian Turski, Auschwitz-Überlebender und Präsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, weist unseriöse und unwahre Vergleiche von Impfgegnern zurück und wehrt sich kategorisch gegen die missbräuchliche Verwendung eines Zitats aus seiner Rede vom 27. Januar 2020.

Immer öfter machen Impfgegner mit absurden Holocaust-Vergleichen auf sich aufmerksam und rechtfertigen so ihre zunehmende Radikalisierung und Aggressivität.

In den Niederlanden nutzte der Parlamentsabgeordnete Thierry Baudet Fotografien jüdischer Kinder aus dem Ghetto in Lodz für solche Vergleiche und stellte darüberhinaus ein Video mit Auszügen aus der Rede des Auschwitz Überlebenden und Präsidenten des IAK Marian Turski ins Netz, die er am 27. Januar 2020 in der Gedenkstätte in Auschwitz gehalten hatte, um Parallelen zwischen der Ausgrenzung und Entrechtung jüdischer Familien während des Holocaust und der heutigen Situation von Impfgegnern zu behaupten.

In Warschau demonstrierte eine Gruppe von Impfgegnern vor dem Sejm, dem polnischen Parlament, unter einem Transparent "Impfen macht frei", das dem Schild über dem Eingangstor von Auschwitz "ARBEIT MACHT FREI" nachempfunden war.

Mit einer deutlichen Stellungnnahme hat jetzt der Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Marian Turski, diese unseriösen und unwahren Vergleiche zurückgewiesen:

"Ich bin empört und wehre mich kategorisch gegen die missbräuchliche Verwendung des Zitats aus meiner Rede, die dem Gedenken an Auschwitz gewidmet war. Die Ausgrenzung und Demütigung der jüdischen Familien in jenen Jahren, die uns nach Auschwitz führten, hat, wie ich betonen möchte, nichts mit der aktuellen Situation im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie zu tun.

In meiner Rede in Auschwitz habe ich versucht zu erklären, wie die Diskriminierung der Juden Schritt für Schritt zur Ausrottung führte. Die Verletzung von Menschenrechten führte Schritt für Schritt zur Vernichtung. Diejenigen, die heute fordern, bestimmte Maßnahmen gegen Menschen zu ergreifen, die ihre Mitbürger anstecken könnten, schützen und verteidigen die Menschenrechte der Schwachen, der Verletzlichen, die aus verschiedenen Gründen nicht geimpft werden können. Ich würde sagen: die Freiheit und die Rechte eines Menschen sind dann eingeschränkt, wenn er die Rechte anderer Menschen verletzen oder gefährden könnte (deshalb bauen wir z.B. Krankenhäuser für Infektionskrankheiten).

Bitte bedenken Sie: Wir haben heute einen Konsens erreicht - wenn ein Fahrgast in einem Bus raucht, schadet er nicht nur seiner eigenen Gesundheit, sondern auch der der anderen Fahrgäste. Und das COVID-Virus tötet so schnell! Wenn ich mich impfen lasse, schütze ich mich und alle meine Mitmenschen!

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch eine Bemerkung machen. Ich bin mir bewusst, dass sehr unterschiedliche Gründe und Denkweisen und (ich fürchte, manchmal auch Denkdefizite) unterschiedliche Personen - die Impfgegner - motivieren. Was mich erschreckt, ist, dass die Mehrzahl der Sprecher der oben genannten Gegner durch ihre rechte Ausrichtung, ihre Übernahme von Verschwörungstheorien und nicht selten auch durch antisemitische Klischees bekannt sind. Dies ist ein weiterer Grund, warum ich mich gegen den Missbrauch meiner Rede wehre."

Marian Turski
Auschwitz-Überlebender, B- 9408
Internationales Auschwitz Komitee, Präsident