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Zum 100. Geburtstag: Wortmeldung Erich Fried. Bild: Christoph Heubner, IAK Berlin

Zum 100. Geburtstag: Wortmeldung Erich Fried. Bild: Christoph Heubner, IAK Berlin

Erinerungen von Christoph Heubner zum 100. Geburtstag: Wortmeldung Erich Fried.

Bei einer gemeinsamen Lesung mit Erich Fried und Volker von Törne - ich glaube mich zu erinnern, dass es in der Evangelischen Akademie in Loccum war - las ich mein Gedicht "Meeresschaum", das dem Maler und Auschwitz-Überlebenden Jerzy Adam Brandhuber gewidmet ist.

In der anschließenden Podiumsdiskussion fragte Erich nach der Bedeutung des Titels: Warum "Meeresschaum"? Und ich erklärte ihm und dem Publikum, dass dieses Wort in Auschwitz eine Chiffre dafür gewesen war, dass von einem Menschen, neben dessen Namen der Begriff "Merresschaum" vermerkt war, keine Spur bleiben durfte. Erich Fried war damals sehr bewegt - von der Schönheit des Wortes und von der Niedertracht der Täter, die auch dieses Wort in ihre Mörderwelt eingesperrt hatten. Wenig später schrieb Erich Fried sein Gedicht "Deutsche Worte vom Meer", das diesen Kontext aufnimmt und das er mir gewidmet hat.

Damals - während der Podiumsdiskussion - hatte ich ihn beobachtet, wie er langsam und behutsam von einem großen Stück Papier eine Ecke abtrennte auf die er dann mit seiner steilen Schrift "Wortmeldung Erich Fried" notierte. Ich sehe ihn noch, wie er mit dem kleinen Papierfetzen in Richtung des Diskussionsleiters wedelt und glaube den leisen Luftzug, den er entfachte, gerade heute - an seinem 100 Geburtstag - zu spüren. Wie gut, dass ich den kleinen Zettel eingesteckt habe, als hätte ich damals von heute gewusst.