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08.05.2019

Die Jugend darf die EU-Wahlen nicht verschlafen: Brief an die jungen Leute Europas

 
 
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Auschwitz-Überlebende im Internationalen Auschwitz Komitee wenden sich heute am 8. Mai mit einem Brief an die jungen Leute Europas, die kommende Europa-Wahl nicht aus ihrer Welt auszublenden, sondern ihre Verantwortung wahrzunehmen und unbedingt an der Europa-Wahl teilzunehmen. Sie bitten sie, ihre Stimmen gegen all die Parteien abzugeben, die als rechtspopulistische und rechtsextreme Sammlungsbewegungen Europa mit altbekannten und giftigen Strategien des Hasses und der Ausgrenzung kontaminieren und zerstören wollen.

Überlebende der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager fühlen sich in diesen Tagen besonders angesichts der immer massiver aufflackernden Feindschaft gegenüber Juden in vielen europäischen Ländern alarmiert und an ihre eigenen Lebenserfahrungen erinnert. Gerade deshalb hoffen sie auf das Interesse der jungen Menschen, Europa als Heimatort der Erinnerung, der Menschenrechte und der Pressefreiheit zu erhalten.

Hierzu betonte Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees:

"Die Überlebenden formulieren ihren Aufruf an die jungen Menschen aus einem großen Vertrauen heraus. Sie haben sie bei Zeitzeugengesprächen in vielen europäischen Ländern immer wieder als engagierte und berührte Zuhörer erlebt, die deutlich gemacht haben, dass sie sich für eine Welt einsetzen wollen, in der ein Auschwitz nicht mehr möglich sein wird. Das nehmen die Auschwitz-Überlebenden sehr ernst. Und deswegen hoffen sie darauf, dass viele junge Menschen jetzt rechtzeitig die Brisanz der Situation in Europa wahrnehmen und zur Wahl gehen. Diese Wahl darf nicht, wie beim Brexit in England, durch die Jugend verschlafen werden. Dazu steht zu viel auf dem Spiel. Oder wie es die Überlebenden immer wieder formulieren: ‚Ihr habt die Wahl! Wir hatten sie nicht!‘“


Hier ist der Brief an die jungen Leute Europas im Wortlaut:


An Europas junge Leute! 



Wir wenden uns an Euch als Überlebende des Holocaust, die damals in den Todeslagern der Nazis so jung waren, wie Ihr es heute seid. Nach der Befreiung  – am Beginn unseres zweiten Lebens – waren die meisten von uns allein:


Fast alle unsere Angehörigen, unsere Eltern, unsere Geschwister wurden in den Gaskammern der Nazis ermordet. Gräber für sie gibt es nicht. Ihre Asche wurde verstreut.

Befreit hatte man uns von Stacheldraht, Todesangst und unendlichem Hunger, aber nicht von unseren Erinnerungen und Albträumen. Sie und die Gesichter unserer Lieben werden uns bis zu unserem letzten Atemzug begleiten.



Nach Auschwitz war für uns eine Welt des Hasses, des Antisemitismus und nationalistischer und rassistischer Aggressivität unvorstellbar: Wir wollten in einer Welt ohne Hass, Blut und Asche leben – für eine gemeinsame Zukunft der Toleranz, der Menschenrechte und der Demokratie.



Deshalb war für uns die Entstehung und Entwicklung der Europäischen Union ein Signal der Hoffnung, das nicht nur eine Utopie geblieben ist: Mit Fehlern, mit Rückschlägen, mit bürokratischen Dummheiten – trotz allem aber bleibt es für uns immer eine Antwort auf die Geschichte von Auschwitz und ein leuchtendes Signal der Hoffnung.



Unser Europa – ein Ort der Erinnerung, an dem Demokratie, Toleranz, Pressefreiheit und die Menschenwürde eine Heimat haben.



Dieses Europa ist nicht nur unsere Hoffnung, sondern auch Euer Alltag, Eure Chance und Eure Zukunft.

Im Moment jedoch ist Euer und unser Europa wie nie zuvor in seiner kurzen Geschichte durch neuen populistischen Hass, durch Antisemitismus und rassistisch-aggressive Dummheit bedroht. Wir fühlen uns an unsere eigene Lebensgeschichte erinnert: Extrem rechte und populistische Parteien spielen mit der Angst der Menschen. Sie haben altes Gift im Kopf und lehnen die Werte, die Europa stark machen ebenso ab, wie die gemeinsame Erinnerung an unser Leiden, den Holocaust. Sie stehen für all das, was Europa schon einmal zerstört hat.

Aus unserer tiefen Sorge heraus bitten wir Euch: Geht zur Europawahl!
Wählt gegen den Hass und für Eure Zukunft in einem toleranten und lebenswerten Europa!