IAK :: Erinnern an gestern, Verantwortung für morgen

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25.01.2018

Dringende Forderung und Warnung der Auschwitz-Überlebenden zum Gedenktag am 27. Januar: Beim Gedenken den Blick auch in die Gegenwart und die Zukunft richten!

 
 
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Vor dem seit 2005 alljährlich begangenen Gedenktag für die Opfer des Holocaust am 27. Januar, dem Tag der Befreiung von Auschwitz, warnen Auschwitz-Überlebende vor einer zunehmenden Ritualisierung und Trivialisierung des Gedenkens angesichts der realpolitischen Entwicklungen in vielen europäischen Ländern.

Die Überlebenden stellen fest, dass die heutigen Gesellschaften in neuer, massiver Weise von weit rechts her herausgefordert werden und damit nicht nur die politischen Handlungsträger zu einer Neubewertung ihrer aktuellen politischen Erfahrungen im Blick auf die historischen Entwicklungen und die Erinnerungen der Überlebenden gezwungen sind.

Gerade in diesem Jahr ist der Gedenktag in den Augen der Überlebenden des Holocaust nicht nur ein Tag der Erinnerung an die Verbrechen Nazi-Deutschlands, an die mörderischen Folgen des Antisemitismus und an den Verlust ihrer Familien. Er ist auch ein Tag, der wie ein Stachel in die heutige Welt hineinragt und verdeutlicht, wie viel zu ähnlich und bedrohlich Antisemitismus, Hass und Intoleranz längst wieder den gesellschaftlichen Alltag – besonders junger Menschen – prägen.

Hierzu betonte in Berlin Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees:

"Es ist höchste Zeit, nicht nur des Gestern zu gedenken, sondern gerade in diesem Zusammenhang auch das Heute zu bedenken. Überlebende fühlen sich in diesen letzten Jahren ihres Lebens vielfach um ihre Erinnerungen und vor alle um ihre Erfahrungen betrogen. Sie haben über Jahrzehnte in vielen Ländern als Zeitzeugen versucht, vor allem junge Menschen  als engagierte Demokraten zu gewinnen und sie vor Menschenhass, Antisemitismus, Intoleranz und nationalistischer Überheblichkeit zu warnen. Gerade deshalb ist den Überlebenden das Projekt und die Idee Europa immer eine wichtige Antwort auf die eigenen tödlichen Erfahrungen und die blutige Geschichte Europas gewesen. Das, was in diesen Tagen in Deutschland und in anderen europäischen Ländern an altem vergifteten Denken in nationaler Engstirnigkeit, der Aggressivität gegen Flüchtlinge und dem offenbar immer wiederkehrenden Gift des Antisemitismus durch die Gesellschaften wabert, zeigt, dass zu diesem Gedenktag auch ein Blick in den Spiegel gehört: Wo stehen wir heute, wo treibt es uns hin?

Dass der sogenannte Rechtspopulismus längst krakenhaft versucht, Parlamente, Medien und demokratische Institutionen von innen und von außen zu destabilisieren und der Verachtung der Bürger preiszugeben, ist ein täglich zu beobachtendes Spektakel in vielen europäischen Ländern. Tagtäglich wird von diesen Kräften das Verbindende und die Würde einer Gesellschaft unflätig und zynisch angegangen und der Aufruf zu Aggressivität, Ausgrenzung und Widerstand unters Volk getragen. Für die Auschwitz-Überlebenden ist all dies im Jahre 2018 bitter und bedrohlich:

In diesen Tagen richtet sich deshalb ihr unruhiger Blick der Trauer nicht nur zurück in die eigene Geschichte, sondern vor allem in die Gegenwart und in die Zukunft. Die Überlebenden sind dankbar, dass sich bei so vielen Gedenkfeierlichkeiten aus Anlass der Befreiung von Auschwitz Menschen ihrer Geschichte und der ihrer ermordeten jüdischen Familien erinnern. Aber sie verbinden dies auch mit der dringenden Bitte: Richtet den Blick auch in Eure Gegenwart und in Eure Zukunft. Die Demokratie braucht Euch, gerade jetzt."