Zur Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextrem" durch den Verfassungsschutz und den Erwartungen an die neue Bundesregierung betonte in Berlin Christoph Heubner, der Exekutiv Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees:
"Die Tatsache, daß zum 80. Jahrestag der Befreiung Europas vom nationalsozialistischen Terror ausgerechnet in Deutschland eine Partei vom Verfassungsschutz nunmehr als "gesichert rechtsextrem"ausgewiesen wird und diese Partei die Demokratie in Deutschland weiterhin von innen heraus bekämpft und an ihrer Zerstörung arbeitet, hinterläßt Überlebende des Holocaust zunehmend ungeduldig und höchst alarmiert.
Nach der Vorlage dieses profunden Berichtes des Verfassungsschutzes kann die AfD von niemandem mehr-innerhalb und außerhalb der Parlamente- in Deutschland als "normale" Partei und Mitbewerberin im demokratischen Diskurs wahrgenommen werden. Alle Bürgerinnen und Bürger, die diese Partei gewählt und mit ihrem Vertrauen ausgestattet haben, wissen nunmehr, mit wem sie im Bunde sind und wofür sie Verantwortung tragen. Das berühmte deutsche Argument "das habe ich nicht gewußt" hat sich mit der Vorlage dieser Faktensammlung erledigt.
Für die Überlebenden des Holocaust ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit und des Überlebens der deutschen Demokratie, ob dieser Weckruf, der vom Bericht des Verfassungsschutzes ausgeht, von der neuen Regierung und den demokratischen Parteien im Bundestag gehört und in konkrete Folgerungen umgesetzt wird. Bisher hat die Politik außer martialischen Ankündigungen hinsichtlich der Auseinandersetzung mit dieser rechtsextremen Partei, die über Jahre um sich herum Rechtsextreme und Gewaltbereite aller Coleur gesammelt und gehätschelt hat, nichts substantielles vorzuweisen.
Vielleicht ist es Zeit, die Vorstellung von tausenden umherirrenden Wahlschafen aufzugeben, die sehnlichst darauf warten, von den Parteien der Mitte unter sanftem Zureden zurückgeführt zu werden. Vielleicht ist es Zeit, sich einzugestehen, daß es eine mittlerweile größer werdende Zahl von Wählerinnen und Wählern gibt, die der Demokratie und ihrer Vielfalt dauerhaft verloren gegangen sind und sich in der einfachen schwarz-weiß Welt des rechtsextremen Milieus mit all ihren Lügen, Dumm- und Albernheiten und ihrem Hass auf das "System" eingerichtet haben. Und vielleicht ist es Zeit, dass die Politik die große Mehrheit der Menschen in Deutschland wieder in den Blick nimmt, die in der Demokratie leben und die sie gestalten wollen - unbeeindruckt von den immer schneller in die Welt gepusteten Umfragen, die der AfD immer neue Rekordwerte unterstellen.
Ganz bestimmt aber ist es höchste Zeit, dass sich die Verantwortlichen der Realität der Gefährdungen besinnen, die die Mütter und Väter des Grundgesetztes -alle gezeichnet vom Entsetzen und dem Terror der Nazi-Jahre- im Blick auf die Zukunft der Demokratie in Deutschland mitbedacht haben. Deutschland ist nicht von außen zur Demokratie befreit worden, um 80 Jahre nach dieser Befreiung im Inneren erneut rechtsextremen Hetzern und Schlägerbanden das Feld zu überlassen.
Die Überlebenden des Holocaust erwarten von der neuen Bundesregierung einen realistischen Blick auf die Gefahren, die der Demokratie in Deutschland drohen und einen realistischen Blick auf das, was Überlebende mit ihren Gesprächen und Begegnungen in Deutschland für die demokratische Entwicklung geleistet und wie viele Türen sie Deutschland zurück in die Familie der Völker geöffnet haben."
